Wahrnehmung - 06.03.2022
- Alissa

- 23. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Wie aromatisch intensiv die Natur doch riechen kann. Besonders wenn die Nacht kalt war und sich gegen frühen Mittag die Erde im Wald erwärmt, entsteht ein frischer, würziger, nussiger, blumiger Geruch. Dann sitze ich schnuppernd auf dem Pferderücken, atme tief die frische warme Waldluft ein und kann von dem Geruch nicht genug bekommen. Auch nach einem starken Regen duftet es draußen immer herrlich lecker frisch. Sieht bestimmt lustig aus wie ich dann schnuppernd durch die Gegend laufe.
Die längere Abwesenheit von einer Stadt, Lärm und Autos lässt mir erst richtig bewusst werden wie sehr mich doch Abgase, Geräusche und Trubel stressen. Ich reagiere viel sensibler und auch stärker auf die "Nebenschauplätze" und diversen Gerüche. Man wird ständig durch etwas abgelenkt und gereizt.
Ich merke, dass sich langsam meine Wahrnehmung auf kleinere Dinge richtet, ich mehr Details wahrnehme und mehr beobachte. Als ob man sich eine Alternative zu den modernen Ablenkungsmöglichkeiten wie TV, Handy und Socialmedia sucht.
Was mir auch immer bewusster wird, was für ein Privileg ich habe in Deutschland meine Heimat zu haben. Man bekommt eine gute Schulausbildung, faire Arbeitszeiten, gutes Gehalt, eine gute gesundheitliche Absicherung, darf in fast jedes Land einfach einreisen, wird im Ausland gut angesehen und man wird vom Staat recht gut aufgefangen wenn etwas schief gehen sollte. Sprich einem stehen die Türen offen, um das zu machen was man möchte, das auszuprobieren was man möchte, wenn dann setzt man sich selber Grenzen und Beschränkungen. Wir sind frei.
Ich hatte mit einem holländischen Paar eine super interessante Unterhaltung darüber und mir sind genau diese Dinge nochmal sehr verdeutlicht worden. Die beiden sind mit ihren Mercedes Bus 3 Jahre von der Ostküste Kanadas in den Süden Patagonians gereist. Mittlerweile sind sie mit ihrer kleinen Tochter nach Chile ausgewandert und haben ihr Herzensplatz in dem Tal von Cañon del Blanco gefunden. In Holland haben sie lange in Amsterdam gelebt und jetzt wohnen sie in einem Mikro-Holz-Haus mit einer gigantischen Sicht auf das Tal. Mirla arbeitet für eine europäische Firma im Home Office, auch schon während ihrer Reise und erstellt Dokumentationsfilme. Sie hat diesen Beruf nicht studiert, sondern ist da reingerutscht und liebt ihre Tätigkeit. Ihr Mann Olaf baut hier einen Ort auf in dem sich Künstler, Musiker und Wissenschaftler treffen und austauschen können und einen neuen Blick auf die Umwelt und Menschen bekommen. Für mich war es super spannend ihre Geschichte zu hören, zu sehen was für ein Leben sich die beiden nun hier aufbauen und wie bewusst ihnen ist was für ein Privileg sie haben. Und auch mir wird immer klarer was für ein Glück ich mit meiner Lebenssituation habe.
Aktuell befinde ich mich im Conguillio National Park und sitze am Strand vom Lago Conguillio. Cristian hat Inge und mir sein Auto
gegeben und seinem Freund der den Park betreibt benachrichtigt, dass wir kommen. Wir dürfen nun hier auf dem Campingplatz zwei Nächte umsonst schlafen und auch der Eintritt war für uns frei. Und das alles ganz einfach mit einer Sprachnachricht von Cristian. Super nett und für uns eine mega Möglichkeit den Park zu erkunden, denn ohne ein Auto ist es ziemlich beschwerlich hierher zu kommen. Manchmal kann ich es gar nicht fassen wie unkompliziert und nett die Menschen hier sind. Einfach uns das Auto für eine längere Strecke und mehrere Tage zu geben, das zeigt einiges an Vertrauen und das Glauben im guten in den Menschen.
Der National Park ist bestückt mit den alten Araukarie Bäumen, einigen Seen, dem Vulcan Sierra Nevada und dem Llaima Vulcan. Es ist super beeindruckend durch den extrem alten Wald zu laufen und den Llaima Vulcan mit seiner Schneekuppe zu beobachten. Die Baumart ist eine der ältesten der Welt und wuchs bereits zu der Dinosaurierzeit. Wenn man so mächtige, prächtige, alte Natur sieht kann man es immer wieder nicht fassen und begreifen was wir mit dieser wunderschönen Erde anstellen.
Die Menschen und die Natur in Chile machen einen noch neugieriger mehr zu sehen, zu entdecken, zu erfahren und auszuprobieren. Die Reise zeigt mir auch was alles möglich ist, wenn man aus dem System heraustritt.
Lese zur Zeit die Herr der Ringe Bücher und habe von Éowyn für mich einen sehr spannenden Satz gefunden: "»Was fürchtet Ihr, Herrin?« fragte er.
»Einen Käfig«, sagte sie. »Hinter Gittern zu bleiben, bis Gewohnheit
und hohes Alter sich damit abfinden und alle Aussichten, große Taten
zu vollbringen, unwiderruflich dahin sind und auch gar nicht mehr er-
sehnt werden.«" Das Sabbatical ist für mich doch ein "Augenöffner" dafür, dass man sein Leben so gestalten und leben kann wie man es möchte und nicht wie es einem die Gesellschaft oder das System vorgibt.

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